Die Firma Cherry ist ein Traditionsunternehmen im Bereich Peripherie mit Hauptsitz in der Oberpfalz. Hingegen (fast) aller Hersteller fertigt Cherry eine Vielzahl an Komponenten für die Eingabegeräte, wie z.B. die eigentlichen Cherry MX Schalter, in Deutschland. Wir haben uns ihr aktuelles Flaggschiff Cherry MX-Board 6.0 mit Cherry MX-Red näher angeschaut. Mit großzügigen Einsatz von Aluminium, durchdachter Handballenauflage sowie einer Signalverarbeitung in Echtzeit möchte der Hersteller sich von der Konkurrenz abheben. Ob es dem Unternehmen gelingt, klärt der Test.
Cherry MX-Board 6.0 – Premium Tastatur mit viel Aluminium im Test
Technische Daten:
Das Cherry MX-Board 6.0 verfügt über ein 100% ISO DE Tastaturlayout, das mit vier weiteren Tasten oberhalb des Nummernblock erweitert wurde. Als Schalter kommen die Hauseigenen und vielfach bewährten Cherry MX-Red zum Einsatz. Eine Auswahl an anderen Switches, wie sie z.B. das Cherry MX-Board 3.0 bietet, hat man nicht. Eher für mechanische Tastaturen unüblich wird auf flache Tastenkappen zurückgegriffen. Die Tastatur verfügt über eine rote, in 100 Stufen regelbare Tastaturhintergrundbeleuchtung.
Da man auf eine Software gänzlich verzichtet hat, erfolgen alle Einstellungen direkt über die Tastatur. Um Lautstärke sowie die Helligkeit der LEDs zu verändern, greift man auf eine Doppelbelegung der F1- F9 zurück. Drei der vier Sondertasten oberhalb des Nummerblockes lassen die Wiedergabe starten oder pausieren sowie vorherigen respektive nächsten Titel abspielen. Die vierte Taste, in der das Cherry Logo gelasert wurde, fungiert als „Spiele“ Taste. Bei Betätigung wird u.a. die Windows Taste deaktiviert, um z.B. ein versehentliches Raustabben zu verhindern. Alle Einstellungen werden in einem internen Speicher gesichert, sodass diese nach einem Neustart oder bei Verwendung an einem anderen PC noch vorhanden sind.
Der Hersteller hebt vor allem die Verwendung der Cherry RealKey Technologie (Cherry RK) hervor. Im Gegensatz zum klassischen Ansatz, bei der Mithilfe einer Tastaturenmatrix die Tasteneingabe registriert wird, werden die einzelnen Leiterbahnen mit unterschiedlicher Spannung versorgt. Betätigt man eine Taste, ändert sich die Spannung und der Controller erkennt anhand der anliegenden Ausgangsspannung die Tasten(kombination). Damit reduziert sich nach Angaben Cherrys die Verarbeitungszeit von 20ms auf nur 1ms.
Auf dedizierte Makro Tasten oder einem USB Hub muss vollständig verzichtet werden.
Der Lieferumfang beläuft sich neben der eigentlichen Tastatur auf eine Schutzhülle, eine Gebrauchsanweisung sowie einer großen Handballenauflage, worauf ich später noch genauer eingehen werde.
Cherry gewährt dem Käufer des Cherry MX-Board 6.0 einen Garantizeitraum von 2 Jahren. Nach Angaben der Preissuchmaschine Geizhals.de ist die Tastatur ab ca. 140€ erhältlich.
In der folgenden Tabelle sind alle Daten zusammengefasst:
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Design und Verarbeitung:
Das Design fällt schlicht und eher kantig aus. Auf einer der vier Sondertasten oberhalb des Nummernblocks ist das Cherry Logo abgebildet worden. Schriftzug sowie Logo sind zudem in die Front eingelassen worden. Die sandgestrahlte Aluminium Oberschale verleiht der Tastatur nicht nur einen schönen Kontrast zwischen den dunkelgrauen Tastenkappen, sondern sorgt für eine extreme Verwindungssteifigkeit. Egal wie stark man die Seiten eindrücken oder das Board verdrehen möchte, das Material gibt kein bisschen nach. Zwar befinden sich die bereits getesteten Tastaturen mit Kunststoffgehäuse in ähnlicher Preisklasse schon auf hohem Niveau, aber das MX-Board 6.0 stellt alles in den Schatten. Ein weiterer Bonus aufgrund des verwendeten Aluminiums ist, dass die Oberfläche recht unempfindlich gegenüber Fingerabdrücken sowie leicht zu reinigen ist.
Die Unterschale des Gehäuses besteht aus einem matt-schwarzem Kunststoff. Das nicht abnehmbare, textilummantelte USB Kabel kann man entweder links, mittig oder rechts über Kabelkanäle rausführen. Um die Rutschfestigkeit zu gewährleisten, wurden insgesamt sechs mittelgroße Gummiflächen angebracht. Zwei weitere sind an den Enden beider Hochstellfüßchen befestigt. Hier gefällt mir die Lösung SteelSeries mit den vollgummierten Hochstellfüßchen besser, da jene eine höhere Angriffsfläche bieten.
Die LEDs für die primär rote Hintergrundbeleuchtung wurde oberhalb der Cherry MX-Red Schalter angebracht. Diese lässt sich insgesamt in 100 Schritten sehr genau einstellen. Die erreichbare Helligkeit reicht von „fast nicht sichtbar“ bis „man wird geblendet“. Je niedriger die Helligkeit gewählt wird, desto stärker bemerkt man die unregelmäßige Ausleuchtung der Schriftzeichen der zweiten Reihe, wie zum Beispiel dem Euro Zeichen auf dem „E“. Da die Status LEDs den weiteren Funktionstasten weichen musste, lies sich Cherry eine durchdachte Lösung einfallen; Die „Windows“-, „Hochstell“-, „FN“-, „Rollen“- sowie „Num“ Tasten leuchten bei (De)Aktivierung blau anstelle von Rot. Dies wird über eine zweite LED realisiert. Mit einem Firmwareupdate wurde zudem eine Timeout Funktion hinzugefügt, wodurch die Hintergrundbeleuchtung nach einer Inaktivität zwischen 10 – 120 Minuten deaktiviert wird.
Die dunkelgrauen Tastaturkappen bestehen aus ABS und sind konkav geformt. Die gelaserte Aufschrift fällt nochmals größer als die der SteelSeries Apex M500 aus. Auffallend bei den Keycaps ist vor allem die flache Form. Die Tasten sind je nach Tastenreihe einige Millimeter niedriger als bei den meisten mechanischen Tastaturen, sodass auch die Haltung der Hand etwas abflacht. Obwohl der Unterschied auf den Fotos im Vergleich zu normalhohen Kappen eher gering aussieht, differenziert sich die Haptik in der Praxis spürbar. Es braucht eine gewisse Zeit bis man sich an die neue Form gewöhnt hat. Wirkliche Vor- oder Nachteil konnte zwischen den beiden Formen dennoch nicht eruiert werden. Zwar fällt die Lautstärke beim Tippen aufgrund des geringeren Resonanzkörpers leiser auf, der Unterschied ist nur im direkten Vergleich hörbar. So würden beispielsweise O-Ringe deutlich mehr zur geringen Lautstärke beitragen als die flache Bauweise. Es ist am Ende – wie so oft – eine Frage des eigenen Geschmackes, welche Tastenform man bevorzugt.
Im Gegensatz zu vielen anderen Tastaturen wurde dem Cherry MX-Board 6.0 eine gummierte Handballenauflage spendiert. Sie fällt überaus lang aus, sodass man in jeder Schreibposition den Handballen stets aufliegend hat. Das Befestigungssystem ist simple wie genial. Die Handballenauflage wird durch zwei Magneten an der Unterseite der Tastatur befestigt. Aufgrund der zehn weiteren Gummiflächen an der Unterseiten, bleibt die Handballenauflage, trotz der nur magnetischen Verbindung zu dem Keyboard, fest an ihrem Platz. Einen Makel hat das System dennoch. Ist die Tastatur mit der Handballenauflage verbunden, hebt sich der vordere Teil jener um wenige Millimeter, sodass sie nicht mehr komplett auf dem Schreibtisch aufliegt. Dadurch neigt die Handballenauflage zu wippen, wenn man das Gewicht stark auf eine Seite verlagert.
Die allgemeine Verarbeitung der Tastatur fällt durchgehend sehr hochwertig aus. Unregelmäßige Spaltmaße sind nicht vorhanden und die verwendeten Materialien lassen fast keinen Wunsch offen.
Cherry MX-Board 6.0 in der Praxis:
Die Charakteristik der verwendeten, linearen Cherry MX-Red Schalter bleibt unverändert. Nach 2 Millimeter wird die Taste ausgelöst und nach zwei weiteren erreicht man den Anschlagspunkt. Den Umschaltpunkt bekommt man weder haptisch noch akustisch mit. Der benötigte Kraftaufwand beträgt nur 45 cN, sodass die Eingabe sehr leicht von der Hand geht. Die Kombination macht die MX-Red Schalter ideal für Spiele. Schnelle Richtungswechsel sind möglich und selbst nach längerer Spielzeit ermüden die Finger nicht.
Im direkten Vergleich zwischen dem Cherry MX-Board 6.0, der SteelSeries Apex M500 oder der Cooler Master Masterkey L konnte subjektiv kein Unterschied bezüglich einer Eingabeverzögerung festgestellt werden. Bei allen dreien wird die Aktion unmittelbar durchgeführt. Es wäre für eine (Gaming) Tastatur der Todesstoß, sollte sie einen bemerkbaren Inputlag aufweisen. Der in der praxisrelevante Vorteil der RealKey Technologie liegt vielmehr in dem „n-key“ Rollover. Selbst bei unrealistischer Betätigung von 20 Tasten gleichzeitig werden alle Eingaben korrekt erfasst und wiedergegeben.
Aber nicht nur für Spiele ist das Cherry MX-Board 6.0 sehr gut geeignet. Aufgrund der hohen Stabilität gibt die Tastatur beim Tippen nicht nach. Das macht das Verfassen von langen Texten sehr angenehm. Unterstützend kann hierbei auch die große, gummierte Handballenauflage sein. Allgemein hinterlässt die Tastatur einen erstklassigen Eindruck. Gerade das Aluminium ist ein wahrer Handschmeichler.
Die für mich wichtigsten Multimediatesten (Start/Pause, Vor sowie Zurück) haben dedizierte Sondertasten bekommen. Um z.B. die Lautstärke zu erhöhen oder zu verringern, muss hierbei auf die Doppelbelegung der F Tasten zurückgegriffen werden. Hier fängt Cherry die Belegung ab der F1 Taste an und geht bis F9. Da die FN Taste auf der eigentlich rechts liegenden Windows Taste gesetzt wurde, kann man die Funktionen „Mute“, „Leiser, „Lauter“ nur mit beiden Händen bedienen, da die Distanz für eine einhändige Bedienung zu groß ausfällt. Hier hätte Cherry die Doppelbelegung ab der F5 Taste beginnen sollen, um dies zu ermöglich. Alternativ kann man durch gleichzeitiges Drücken der „STRG“ sowie der „FN“ Taste die FN Taste dauerhaft aktivieren. Wer im Eifer des Gefechtes des Öfteren auf die Windows Taste kommt und damit die Applikation minimiert, kann dies mit der Betätigung der Spiele Taste mit dem großen Cherry Logo verhindern. Nicht nur die Windows Taste wird dadurch ignoriert, sondern auch die Kombinationen „Alt + F4“, „Alt + Tab“, „Strg + Alt + Entf“.
Cherry verschenkt bei einem wichtigen Punkt großes Potential; Es gibt keine Software zu der Tastatur. Fast jeder Hersteller bietet für ihre Tastaturen in der Preisklasse eine Software zur Konfiguration sowie Definieren von Makros an. Es fehlt zudem die Möglichkeit, mehrere Profile zu erstellen und automatisch laden zulassen.
Fazit:
Das Cherry MX-Board 6.0 kann in vielerlei Bereichen überzeugen. Highlight der Tastatur ist die sandgestrahlte Aluminium Oberschale. Diese verleiht der Tastatur nicht nur ein edles Aussehen, sondern sorgt für eine bis jetzt unübertroffene Verwindungssteifheit. Auch die Verarbeitung ist tadellos. Die Cherry MX-Red Schalter verrichten – wie gewohnt – einen hervorragenden Dienst. Leider verzichtete der Hersteller auf Varianten mit anderen Switches wie MX-Brown oder MX-Blue. Die Tastenkappen fallen untypisch flach aus. Einen Vor- oder Nachteil gegenüber normalhohen Keycaps konnte in der Praxis nicht ausgemacht werden. Hier muss der eigene Geschmack entscheiden, was einem persönlich besser gefällt.
Die mitgelieferte, gummierte Handballenauflage fällt überdurchschnittlich groß aus und erfüllt bei jeder Haltung der Hände ihre Funktion. Durch das Magnetsystem sowie die angebrachten Gummierung wird ein schnelles Abnehmen der Handballenauflage bei gleichzeitig hoher Rutschfestigkeit ermöglicht.
Die rote Hintergrundbeleuchtung erreicht dank der feinen Abstufungen in jeder Umgebung eine stets passende Helligkeit. Wie bei vielen illuminierten Tastaturen muss auch hier die etwas unregelmäßige Ausleuchtung der zweiten Zeichenreihe angekreidet werden.
Auf Multimediatasten muss zudem nicht verzichtet werden. Zwar wird ein Teil über dedizierte Tasten oberhalb des Nummernblockes realisiert, die „Mute“, „Leiser“, „Lauter“ sowie die Tasten zur Steuerung der Hintergrundbeleuchtung wurde auf F1-F9 doppelt belegt. Aufgrund der Position der FN Taste auf der rechten Windows Taste ist das einhändige Bedienen nur mit Mühen möglich. Spieler werden sicherlich von der Cherry Taste Gebrauch machen, die u.a. die Windows Taste deaktiviert.
Auf eine Software sowie Makrofunktionen hat Cherry gänzlich verzichtet und stellen damit den größten Makel dar. Wer darauf verzichten kann, bekommt davon abgesehen zu einem Preis von 140€ eine durchwegs gelungen Tastatur mit einer Materialwahl, die ihresgleichen sucht.