Mit der Nest Cam startet Google einen Großangriff auf den Markt der kabellosen Überwachungskameras. So bietet die Nest Cam nicht nur einen integrierten Akku, und eine erweiterte Bewegungserkennung dank Machine Learning, sondern auch die Nest Protect Pläne wurden überarbeitet.
Zwar kosten dich die Nest Kameras weiterhin eine fixe Summe im Monat für eine ordentliche Nutzung, aber diese Summe ist mit 5€ für beliebig viele Nest 2. Gen Kameras vergleichsweise überschaubar.
Der spannendste Punkt ist aber natürlich die Frage wie gut die Google Nest Cam umgesetzt ist. Gerade die Bewegungserkennung mit Machine Learning klingt vielversprechend, schließlich ist Google hier ein wahrer Profi. Aber wie sieht es in der Praxis aus?
Kann hier die Google Nest Cam verglichen mit Eufy, Arlo und Reolink überzeugen? Finden wir es heraus!
An dieser Stelle vielen Dank an Google für das Zurverfügungstellen der Google Nest Cam für diesen Test.
Die Google Nest Cam mit Akku im Test
Google setzt bei seiner Nest Cam auf ein recht modernes und freundliches Design. So ist das äußere der Kamera komplett rund gehalten. Google setzt hier zudem auf einen matten weißen Kunststoff. Sehr schick, aber außergewöhnlich für eine Außen-Überwachungskamera.
Dies liegt natürlich auch daran das Google eine “Hybrid” Nutzung vorsieht. Du kannst und sollst die Google Nest Cam sowohl Outdoor wie auch Indoor nutzen. Bei letzterem ist allerdings eine kabelgebundene Nutzung vorgesehen. Passend hierfür legt Google ein 2 Meter proprietäres Ladekabel das auf einem USB Stecker endet bei. Ein passendes 5V/1,5A USB Netzteil liegt bei.
Ebenfalls liegt eine magnetische Wandhalterung bei. Solltest du die Kamera auf einem Tisch nutzen wollen, dann musst du eine gesonderte Halterung kaufen. Hierfür findet sich neben der magnetischen Rückseite ein Stativ Anschluss auf der Unterseite.
Einrichtung und App
Um die Google Nest Cam zu nutzen benötigst du die Google Home App. Leider hatte ich hier große Probleme! Google macht die Installation der Nest Cam unnötig kompliziert.
Ich habe die Nest Protect Feuermelder. Anstelle einfach die Kamera mit dem WLAN zu verbinden, muss ich die Kamera mit den Feuermeldern verbinden, damit diese dann von den Feuermeldern ins WLAN eingebunden wird?!
Dies hat bei mir nur sehr zickig funktioniert. “Verringere den Abstand zu einem anderen Nest-Gerät”.
Es wird einem von Google Home auch keine alternative Installation angeboten. Erst an meinem dritten Feuermelder, den ich versucht habe, hatte es dann geklappt. Hast du keine Nest Produkte, dann wird die Nest Cam ganz regulär eingerichtet.
Die Google Home App dient natürlich nicht nur als Anlaufpunkt für die Nest Cam oder allgemein Google Nest Produkte. Du kannst hier auch andere 3. Anbieter Smart Home Produkte einbinden, die den Google Assistenten unterstützen.
Entsprechend kann die Google Home App aber auch schnell etwas “voll” wirken. Auch ist die Google Home App nicht speziell für Überwachungskameras optimiert.
So braucht es für meinen Geschmack etwas viele Klicks, um an das Livebild der Kamera zu kommen.
Auch der Kamera-Verlauf ist etwas versteckt und teils sind die Übersetzungen erstaunlich schlecht für Google. So kann ich bei der Qualität zwischen Maximale Qualität und “Laut” unterscheiden.
Auch bei der Helligkeit der Status LED wird mir Laut, Automatisch und Leise angeboten!?
Um ehrlich zu sein bin ich soweit von der Google Home App in Kombination mit der Nest Cam eher wenig beeindruckt. Klar die App ist super universell gehalten, aber suchst du eine reine Überwachungskamera, dann ist die App vielleicht etwas unnötig kompliziert.
Leider ist auch kein Zugriff auf die Kamera über eine WebUI möglich. Du musst die Smartphone App nutzen oder einen Nest Hub, auf welchem du das Bild der Kamera anzeigen kannst.
Wie hoch ist die Akkulaufzeit der Nest Cam?
Die Akkulaufzeit von kabellosen Überwachungskameras schwankt stark je nachdem wie viel diese aufzeichnen muss.
Google spricht von 1,5 Monaten in einer belebten Umgebung, 3 Monate in einer normalen Umgebung und bis zu 7 Monaten in einer ruhigen Umgebung.
Und ja diesen Werten kann ich nach einer aktuellen “Hochrechnung” zustimmen. Bei mir scheint die Kamera auf ca. 1,5 Monate mit einer Akkuladung zu kommen.
Damit landet die Nest Cam eher Mittelfeld was die Akku Laufzeit angeht.
- Eufy Cam Pro – ca. 8-12 Monate
- Arlo Pro 4 – ca. 3-6 Monate
- Reolink Argus Pro 3 – ca. 2-3 Monate
- Nest Cam – ca. 1-7 Monate
Dies kann natürlich etwas an der doch sehr erweiterten Objekterkennung liegen, die auf der Kamera berechnet wird.
Herausragende Bewegung und Objekt-Erkennung
Mittlerweile bieten viele Überwachungskameras eine rudimentäre Personen oder Fahrzeug-erkennung. Hierzu zählt auch die Reolink Argus Pro 3 oder die Eufy Kameras.
Diese ist hier aber meist recht simpel und auch nicht zu 100% akkurat, gerade bei Eufy. Die Personenerkennung der Nest Cam wirkt hier deutlich fortgeschrittener.
So war die Fehlalarm Quote deutlich niedriger als bei allen anderen kabellosen Konkurrenten.
Ich würde sogar glatt von 0 Fehlalarmen sprechen, aber hin und wieder wurde mein Hund als “Person” erkannt. Dies hängt aber auch stark vom Kamerawinkel ab.
Grundsätzlich kann die Google Nest Cam zwischen
- Menschen
- Tieren (Hund und Katze)
- Fahrzeugen
unterscheiden.
Gerade die Tiererkennung ist nicht ganz auf dem level der Netatmo Presence, aber mir ist keine komplett kabellose Kamera bekannt die dies besser hinbekommt!
Von daher würde ich die Bewegungserkennung und deren Zuverlässigkeit als eine der großen Stärken der Google Nest Cam bezeichnen. Allerdings teilt sich die Nest Cam eine Schwäche mit vielen anderen kabellosen Modellen. Die Reichweite der Bewegungserkennung ist nicht gigantisch. Rechne mit maximal 8-10 Metern, darüber hinaus wird die Erkennung unzuverlässig.
Allerdings gilt dies für fast alle komplett kabellosen Modelle, dies scheint also eine Schwäche der Bauform und weniger der Nest Cam selbst.
Gesichtserkennung
Die Nest Cam bringt neben der Personen, Fahrzeug und Tiererkennung auch eine optionale Gesichtserkennung mit.
Diese muss auf Wunsch gesondert aktiviert werden. Erkennt die Kamera nun ein Gesicht, dann wirst du gefragt kennst du diese Person. Falls ja kannst du dieser einen Namen zuordnen.
In den Aufnahmen wird dann markiert Person XZY wurde gesehen. Auch in den Benachrichtigungen wird angezeigt “Person XYZ” wurde gesehen.
Leider kannst du nicht abstellen Benachrichtigungen bei bekannten Personen zu erhalten oder dass dann automatisch die Aufnahme gestoppt wird.
Im Grunde hilft dir dies nur Benachrichtigungen auf die Schnelle einer Person zuzuordnen. Bei diesem Feature ist also noch etwas Luft nach oben.
Die Erkennung funktioniert aber gut! Du musst allerdings relativ nah an die Kamera, so 4-5 Meter, aber dann werden Personen zuverlässig dem Namen zugeordnet.
Wo werden Aufnahmen gespeichert?
Die Google Nest Cam speichert all ihre Aufnahmen in der Google Cloud. Es gibt keine lokale Speicherung. Lediglich bei einem Internetausfall wird die letzte Stunde in der Kamera zwischengespeichert.
Die Aufnahme in der Google Cloud ist leider nicht kostenfrei. Es gibt zwar ein kostenfreies Abo, dies ist jedoch extrem stark eingeschränkt.
Basis |
Aware |
Aware Plus |
|
Kosten im Monat (für belibig viele Kameras) |
0€ |
5€ |
10€ |
Ereignisverlauf |
3 Stunden |
30 Tage |
60 Tage |
Konstante Aufnahme |
X |
X |
10 Tage |
Im kostenfreien Basis-Abo kann die Kamera nur Ereignisse der letzten 3 Stunden anzeigen bzw. aufnehmen. Alle Ereignisse darüber hinaus werden gelöscht. Damit ist das Abo relativ nutzlos.
Im Standard Aware Abo, 5€ im Monat (beliebig viele Kameras), werden Ereignisse bis zu 30 Tage gespeichert. Im Aware Plus Abo 60 Tage und es kann bis zu 10 Tage eine durchgehende Aufnahme geben. Dies aber nur wenn die Kamera Kabelbetrieben genutzt wird.
Grundsätzlich würde ich hier das normale Aware Abo empfehlen. Plane also 5€ im Monat zusätzlich ein. Ich bin kein Fan von diesen Zusatzkosten, aber immerhin sind es 5€ für beliebig viele Kameras und nicht pro Kamera, wie es früher oft bei Herstellern der Fall war.
Datenschutz und Sicherheit
Der Datenschutz bei der Google Nest Cam ist eine schwierige Angelegenheit, schließlich senden wir ja alle Daten brav an einen Google Server. Wenn du auf Datenschutz wert legst, ist dies natürlich ein unschönes Gefühl zu wissen, dass Google alle Aufnahmen bekommt.
In der Praxis wird aber vermutlich der Datenschutz überdurchschnittlich gut sein! Es ist davon auszugehen, dass Google selbst nichts böses mit den Daten anstellt. Käme dies heraus, dann wäre das ein dicker Skandal und ich glaube solch ein Risiko will Google nicht eingehen.
Klar sämtliche Geheimdienste der Welt werden auf Wunsch zugriff auf die Aufnahmen bekommen können, das wird es aber auch schon gewesen sein.
Ich glaube was Sicherheitslücken usw. Angeht wird die Google Nest Cam deutlich besser gesichert sein als die 08/15 Modelle die du bei ebay oder Amazon bekommst. Selbst größere Anbieter wie Eufy sind hier nicht tadellos. Dort hatten kurzzeitig fremde Personen Vollzugriff auf die Kameras von anderen Nutzern, da es Server intern zu einer fehlerhaften Zuordnung von Kamera zu Benutzeraccount gab.
Solche Fehler oder einfach Sicherheitslücken wird es bei der Google Nest Cam weniger wahrscheinlich geben, dies ist zu mindestens meine Einschätzung.
Es kann lediglich das etwas ungute Gefühl bleiben, dass die Aufnahmen auf einen fremden Server hochgeladen werden. Was Sicherheitslücken usw. Angeht wird das Risiko bei der Google Nest Cam aber Unterdurchschnittlich hoch sein.
Informationen bezüglich der Gesichtserkennung werden im übrigen lokal auf der Kamera gespeichert.
Bildqualität
Kommen wir noch auf die Bildqualität zu sprechen. Wir haben einen vergleichsweise klassischen Full HD Sensor mit einem 110 Grad Blickwinkel. Das Bild ist also schön weitwinklig.
Die Bildqualität würde ich als gut bezeichnen. Diese ist auf dem Level von Eufy, Arlo und Co. Die Nest Cam hat vielleicht eine etwas überdurchschnittlich hohe Bitrate, wodurch das Bild etwas klarer und sauberer ist.
Durchschnittlich sind die IR LEDs. Diese sind Okay, aber hier habe ich Kameras mit mehr “Reichweite” gesehen.
Fazit
Es gibt an der Google Nest Cam viel zu mögen. Primär ist dies die Bewegungserkennung und die Gesichtserkennung. Dank Machine Learning hat die Nest Cam die beste Objekterkennung die ich bisher bei einer komplett kabellosen Überwachungskamera erlebt habe.
- Sehr gute und zuverlässige Objekterkennung
- Sehr schickes Design
- Gute Integration mit Android und anderen Google Diensten
- Optionale Gesichtserkennung
- Solide Akkulaufzeit (1,5-7 Monaten)
Die Unterscheidung von Personen, Tieren, Fahrzeugen und sonstigen Bewegungen funktioniert tadellos. Hierdurch werden Fehlalarme und unnötige Benachrichtigungen auf fast 0 reduziert.
Hinzu kommt die durchaus nützliche Gesichtserkennung, welche aktuell einmalig bei komplett kabellosen Modellen ist. Diese hilft ebenfalls Benachrichtigungen und Aufnahmen schneller zu filtern.
Es gibt hier aber auch Luft nach oben.
- Google Home App teils etwas verschachtelt, da umfangreich
- Gesichtserkennung könnte tiefer integriert werden
- Reichweite für Bewegungserkennung maximal 8-10 Meter
- Nest Aware Abo für eine gute Nutzung zwingend nötig
So ist vor allem die Software noch ausbaufähig. Warum überhaupt Benachrichtigungen bei bekannten Personen senden? Auch ist die Google Home App sehr umfangreich und teils benötigst du recht viele Klicks um ans Ziel zu gelangen.
Ebenso ist natürlich das Nest Aware Abo für 5€ im Monat effektiv Pflicht. Es ist zwar immer so eine Sache, dass alle Aufnahmen auf Google Server gesendet werden, aber was Sicherheitslücken und Ähnliches angeht wirst du bei Nest vermutlich sicherer unterwegs sein als bei sehr vielen anderen Herstellern.
Ja die Nest Cam ist (noch) nicht perfekt, aber das ist keine mir bekannte Kamera in dieser Klasse, egal ob nun von Eufy, Arlo oder Ring. Suchst du also eine gute Bildqualität, eine hervorragende Objekterkennung und bist auch bereit 5€ im Monat zu zahlen, dann kann ich die Nest Cam mit gutem Gewissen empfehlen!
„Es ist davon auszugehen, dass Google selbst nichts böses mit den Daten anstellt. Käme dies heraus, dann wäre das ein dicker Skandal und ich glaube solch ein Risiko will Google nicht eingehen.“
Wow. Just Wow. Selten so eine unfassbar naive Annahme gelesen. Wenn es danach ginge, dürfte niemand, der irgendeinen Ruf zu verlieren hat, irgendwelche Schweinereien machen…
Merkste selber, oder ?
Was Google definitiv mit den bei dir abgegriffenen Bildern tut: Seine KI füttern, u.A. um die hochgelobte Objekterkennung zu verbessern. Das werden sie sich vermutlich sogar in ihren AGBs erlauben. Dass Googles Admins ebenfalls Zugriff darauf haben und sich ggf. mit den Aufzeichnungen amüsieren, etc. – geschenkt, das wird bei jeder cloud-basierten Lösung so sein.
„[…]
Solche Fehler oder einfach Sicherheitslücken wird es bei der Google Nest Cam weniger wahrscheinlich geben, dies ist zu mindestens meine Einschätzung.“
Genau. Auch dumme Fehler oder Sicherheitslücken kommen bei größeren Firmen ja bekanntlich nie vor. Deshalb konntest du ja auch diesen Monat durchgehend per WA / FA kommunizieren. ;D
WA / *FB